Das neue Jahr bietet gerne den idealen Anlass, Vorsätze zu formulieren, die dann mit dem Schwung des Neuen in die Tat umgesetzt werden sollen. „Ich will mehr Sport treiben, mich mehr um Familie und Freundschaften kümmern, abnehmen, mit dem Rauchen aufhören“ und Vieles mehr. Wer kennt das nicht? Das feste Bestreben ist vorhanden, doch allzu oft bleibt es beim Alten, weil sich liebgewonnene Gewohnheiten und Glaubenssätze durchsetzen, der erhoffte Schwung fehlt, die Anforderungen zu groß sind. „Der Geist ist willig, doch der Körper ist schwach“, gab uns Jesus mit auf den Weg, dessen In-die-Welt-Kommen wir an Weihnachten feiern.
Die fehlende Harmonie zwischen Körper und Geist muss nicht sein; es gibt einen Königsweg, beide in Einklang miteinander zu bringen, so dass wir unsere Vorsätze auch in die Tat umsetzen. Doch woher kommen diese Vorsätze? Zunächst sind sie von außen übernommen. Spannend ist die Frage, warum wir mit etwas unzufrieden sind, was wir ändern wollen. Gehen wir dem nach, welche Bedürfnisse wir in uns wir bedient haben, dass wir so geworden sind, wie wir eben sind. Wenn wir keinen Sport machen, steckt dahinter vielleicht ein sehr großes Ruhebedürfnis nach Muße, dem Gar-nichts-Tun? Dann sind wir aufgefordert, unseren Alltag entsprechend zu gestalten.
Ja, wir machen uns gerne selbst Druck, um gewissen Normen gerecht zu werden. Was jedoch dabei auf der Strecke bleibt, ist die Frage, was uns wirklich guttut. Wie können wir uns so ausrichten, dass Körper und Geist sich mögen und harmonisch miteinander verbunden sind? Die Antwort ist ganz klar: es gibt eine Instanz in uns, die uns den Weg dazu zeigt: es ist unser Herz.
Damit Sie selbst diese Erfahrung machen, schlage ich Ihnen folgende Herzkohärenz-Übung vor, die Sie an jedem Ort und zu jeder Zeit machen können – ich bin inzwischen wie süchtig danach:
Schulterbreit aufrecht stehen, tief und ruhig ein- und ausatmen. Beide Hände aufs Herz legen, die Augen schließen, weiterhin ruhig und sanft atmen. Spüren Sie das gleichmäßige Klopfen des Herzens und nehmen es bewusst wahr. Immerhin schlägt das Herz ununterbrochen Tag und Nacht ohne Unterlass und hält uns am Leben. Wie der ganze Körper und alles in der Natur ist es ein Wunderwerk an Koordination und Verbundenheit. Es führt zwei Kreisläufe – den Lungen- und den Blutkreislauf – zusammen, sorgt für unsere Ernährung mit Sauerstoff beim Einatmen, transportiert das verbrauchte CO2 in die Lungen zum Ausatmen. Bedanken Sie sich ausgiebig bei Ihrem Herzen. Fragen Sie es, was es sich wünscht, was es braucht, damit es ihm gut geht und lauschen Sie den Antworten. Stellen Sie sich vor, dass sich Ihre Füße in die Erde verlängern, zu Wurzeln werden und fest in der Erde verankert sind – wie die Bäume, mit denen wir in einer Symbiose leben: sie nehmen unsere verbrauchte Luft, das CO2 auf, transformieren es in Sauerstoff, der uns beim Einatmen mit Zellnahrung versorgt. Welch gigantische Verbundenheit! Zugleich sind wir wie die Bäume nach oben mit dem Himmel verbunden – stellen Sie sich dies als eine vertikale Achse vor, die durch Sie hindurchfließt. Spüren Sie die sich ausdehnende Weite im Raum, der immer größer wird, und dessen Grenzen sich auflösen. Die Ausdehnung in die Weite bildet die horizontale Achse. Beide Achsen kreuzen sich im Herzen als Schnittpunkt! Das Herz ist also die Verbindung von uns mit dem Kosmos und der Natur. Als Naturwesen, die wir sind, hängen wir eng miteinander zusammen. Ist die Natur im Gleichgewicht, sind wir es auch – und umgekehrt. Sind wir im Gleichgewicht, behandeln wir die Natur so, dass sie es auch ist.
Spüren Sie tief in ihr Herz rein, nehmen seine Antworten auf. Ich empfehle Ihnen, diese aufzuschreiben. Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf: wenn Sie die Botschaften malen oder singen oder auch tanzen wollen, nur zu! Wenn Ihnen „warm ums Herz“ wird, spüren Sie die Freude, die Ihnen den Weg zur inneren Zu-frieden-heit weist. Das Herz ist weise, und wir tun gut daran, seine Ratschläge und Botschaften zu beherzigen. So kommen Körper und Geist in Harmonie. Natürlich weiß das Herz auch, was unsere Seele sich wünscht, damit wir unser Leben, einschließlich unseres Alltags, unserer Arbeit, beseelt gestalten und wir von Herzen zupacken, wo es nötig ist. Es zeigt uns auch, wie wir zur Ruhe kommen, mehr noch: allein die ruhig atmende Konzentration auf unser rhythmisch pochendes Herz beruhigt uns.
„Das Denken muss über das Herze gehen“ schrieb der Klassiker und Visionär Friedrich Schiller, dessen Werk es wieder zu entdecken gilt – einschließlich der „Glocke“, die für ganze Schüler*innengenerationen auf dem Lehrplan stand und nicht unbedingt mit philosophischen, visionären Assoziationen in Verbindung steht….und doch als Botschaft so aktuell ist.
Das Herz des Menschen macht uns mit seinen Qualitäten menschlich – „Hand aufs Herz“, dann bist du ehrlich, deine Worte sind entsprechend. Das Herz verströmt Liebe, wenn wir aus dem Herzen leben; der Verstand als Prüfinstanz setzt dies um. Beide zusammen sind ein unschlagbares Team, auch und gerade, wenn es um die Alltagsgestaltung geht.
Wir Optimistinnen und Optimisten sind der festen Überzeugung, dass die Welt mehr Herzensmenschen braucht. Wir folgen dem Ruf des Weltenherzens und dem Ruf unserer Herzen. „Nur mit dem Herzen sieht man gut“, erfährt der „Kleine Prinz“ (Autor: Antoine de St. Exupéry). „Aus dem Herzen leben“ bedeutet als Grundeinstellung tiefe Wertschätzung allem entgegen zu bringen, was mich umgibt. Dazu gehört auch, all das anzunehmen, was mir in meinem Leben widerfährt. „Annehmen“ bedeutet keinesfalls, „Ja und Amen“ zu sagen, sondern ganz im Gegenteil: in Zuversicht, Offenheit und in Vertrauen Lösungen zu finden, die mir Auswege aus bestimmten Situationen zeigen; mein Verstand allein käme nie darauf. In Kooperation mit meinem Herzen sehr wohl. Überraschung, Überraschung! Dann erhält das Leben eine spielerische Note, wird leicht und richtig spannend. Optimismus stellt sich ein.
„Optimistisch sein“ ist also die wertschätzende Grundeinstellung, achtsam und mit der Energie der Freude in allen Lebenslagen das heraus zu finden, was unsere Vitalität zum Erblühen bringt. In diesem Sinn verstehen wir uns als „Lebenskünstler*innen“. Dies kommt in der herzlichen Verbundenheit unserer gemeinsamen Treffen wie etwa dem für alle Interessent*innen offenen Mittagstisch am 2. Montag jeden Monats (derzeit ein Zoomtreffen), unseren Themenabenden und vor allem auch in unseren Projekten zum Ausdruck. Herzlich eingeladen, uns kennen zu lernen und sich mit uns zu vernetzen!
Prof. Dr. Irmela Neu